Im Gespräch

Kathrin Weßling über das Schreiben, Lesen und ADHS

Kathrin Weßling ist Autorin, Journalistin und Social Media Expertin. Sie schreibt über Themen wie Feminismus und psychische Gesundheit. Ihr Bestseller “SUPER, UND DIR?” wurde als “Buch ihrer Generation” gefeiert. Außerdem schreibt sie regelmäßig für ZEIT ONLINE und SPIEGEL. Als ADHSlerin war sie bereit, uns im Rahmen des ADHS Awareness Month Oktober einige Fragen rund um das Thema zu beantworten.

Kathrin Weßling im Interview zum Thema ADHS: “Klar ist das kreative, abstrakte Denken hilfreich und manchmal sogar betörend schön. "So lange, bis man die Steuererklärung machen muss.”

Die berufliche Laufbahn einiger ADHS-ler*innen gleicht einer wilden Achterbahn - wie sah es bei dir aus? Hattest du viele unterschiedliche Berufswünsche? Wie kamst du zum Schreiben?

Ich hatte schon immer genau zwei Berufe, die ich unbedingt machen wollte und ganz ehrlich: Ohne das ADHS wäre es nicht das Schreiben geworden. Eigentlich wollte ich Medizin studieren, aber ein mieses Abi hielt mich davon ab. Stattdessen kam dann mein zweiter Wunsch: Das Schreiben. Und als ich mit 23 meinen ersten Buchvertrag bekam, entschied ich mich dafür. Obwohl man gar nicht sagen kann, dass das wirklich nur mein zweiter Wunsch war. Eigentlich wollte ich immer schreiben und habe es auch getan, seit ich denken kann. Trotzdem habe ich seit meinem 21. Lebensjahr immer auch in anderen Berufen gearbeitet. Ich bin die klassische Quereinsteigerin, die sich hochgearbeitet hat. Und ich hatte tausend Jobs: Babysitterin, Souffleuse, Werberin, Beraterin, Redakteurin, Journalistin, ich hab in der Gastronomie geschuftet und ich hatte und habe Führungspositionen und bin mittlerweile sehr froh, dass ich nie alles nur aufs Schreiben gesetzt habe und immer auch mein Geld in anderen Berufen verdient habe.

 

Für einige ADHS-ler*innen ist das Lesen von Büchern schwierig - wie ist es bei dir? 

Netflix hat mir das Lesen kaputt gemacht. Mittlerweile höre ich fast nur noch Hörbücher. Vor 10 Jahren habe ich noch 30 Bücher im Jahr gelesen. Aber ganz selten mal kriegt mich ein Buch so, dass ich doch wieder lese. Und dann liebe ich es und frage mich, wieso ich das nicht eigentlich ständig mache?

 

Hast du Tipps für Personen mit ADHS, die mit dem Schreiben beginnen wollen? 

Nein, das wäre auch vermessen. Jede:r ADHSler:in ist anders und braucht andere Dinge. Mir helfen mittlerweile seit 8 Jahren Medikamente beim Schreiben, ich kann fokussiert bleiben. So kreativ wie ohne Medikamente bin ich dann aber leider trotzdem nicht.

Klar ist das kreative, abstrakte Denken hilfreich und manchmal sogar betörend schön. "So lange, bis man die Steuererklärung machen muss.

Gibt es Situationen in deinem beruflichen Alltag als Autorin, in denen ADHS besonders kickt?

ADHS ist immer da. Es gibt keinen Lebensbereich, in dem es nicht da ist. Das ist beim Schreiben so und beim Dusche putzen.

 

Wenn du an deinen beruflichen Alltag denkst - was sind die positiven Seiten von ADHS? Ist es manchmal sogar förderlich? 

Ich finde, man muss wirklich aufpassen, ADHS nicht zu glorifizieren. Klar ist das kreative, abstrakte Denken hilfreich und manchmal sogar betörend schön. So lange halt, bis man die Steuererklärung machen muss. 

ADHS ist kein Geschenk, es ist eine Besonderheit, mit der man leben lernen kann und muss. Man kann diese Besonderheit nutzen und das mache ich, aber ich finde es fahrlässig, bei diesem Thema den Leidensdruck und die vielen Begleiterkrankungen zu verschweigen. Man kann lernen, das Beste da rauszuholen. Oder man landet mit 21 im Knast, nachdem man die Schule abgebrochen hat und zig mal auf die Fresse geflogen ist. Das hat viel mit Privilegien zu tun. Diese Realitäten dürfen nicht unsichtbar gemacht werden. Das S in ADHS steht für Scheitern. Und das ist eine gemeinsame Realität, die alle Menschen mit ADHS teilen. Wir scheitern an so vielem. Das darf man nicht schönreden, weil es das Leid so vieler Menschen weg-schweigt.

 

Hast du mit Vorurteilen auf Grund deiner Diagnose zu kämpfen? Woran liegt es, dass Personen ihre Diagnose aus der Öffentlichkeit raushalten? 

Mein Leben ist nicht leichter geworden durch das vermehrte Thematisieren von ADHS in der Öffentlichkeit. Das hat zwei Gründe: Viele Menschen nehmen das Thema dadurch als Trend wahr und noch weniger ernst als vorher. Und die, die es ernstnehmen, verstehen trotzdem nur bis zu einem gewissen Grad, was es dann tatsächlich bedeutet. Die glauben oft, dass wir einfach nur ein bisschen verpeilt und verspielt sind, schusselig und süß. Bis wir dann Geburtstage vergessen, ständig zu spät kommen, Schulden anhäufen, Jobs verlieren, depressiv werden. Dann ist das Verständnis oft ganz klein plötzlich.

Ich halte mein ADHS nicht geheim, aber ich habe es auch nie zum Mittelpunkt gemacht und bin sehr froh darüber. Ich definiere mich nicht über eine Diagnose. Ich bin Kathrin Weßling. Nicht mehr und nicht weniger.

 

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